WW2 mal anders
Der Zweite Weltkrieg erlebt in Videospielen derzeit eine Renaissance. Das Hauptaugenmerk liegt aber wie bei der ersten Hochphase weiterhin auf dem Actionbereich, den Electronic Arts oder Activision mit großem Aufwand bedienen. Doch mit Spielen wie z.B.
Through the Darkest of Times werden mechanisch oder erzählerisch andere Seiten beleuchtet. Auch
Warsaw fällt in diese Kategorie. Als Basis dient der Warschauer Aufstand, der am 1. August 1944 begann und in dem sich der polnische Widerstand gegen die deutsche Besatzung zur Wehr setzte. Nach 63 Tagen scheiterte der Aufstand und wurde von den Deutschen höchst brutal niedergeschlagen, auch weil es kaum Unterstützung von außen gab. Und das, obwohl die russische Armee bereits vor den Toren der polnischen Metropole stand und sich Winston Churchill höchstpersönlich bei Stalin dafür einsetzte, die polnischen Verbündeten zu unterstützen.
Die Rundenkämpfe bieten taktische Finessen wie Flankier- und Deckungssysteme.
Obwohl die Opferzahlen in die Hunderttausende gingen, die überwältigende Mehrheit davon Zivilisten, die von den Deutschen als Vergeltung in Massenhinrichtungen getötet wurden, während der erbarmungslose Straßenkampf für die Zerstörung von 25 Prozent der Gebäude Warschaus verantwortlich war, gehört der Aufstand außerhalb Polens eher zu den vergessenen Ereignissen dieses Konflikts. Angesichts dieser dramatischen Basis ist es durchaus überraschend, dass sich das Team von Pixelated Milk, das auch für die Fantasy-Rundentaktik
Regalia verantwortlich zeichnet, nicht für ein Storytelling-Experiment, klassisches Adventure oder ein ähnlich „ruhiges“ Konzept entschieden hat, um die damit verbundenen Schicksale und Emotionen in ein spielerisches Licht zu rücken. Doch zum einen bleiben sie mit dem Rollenspiel-Strategie-Ansatz ihren Wurzeln treu, zum anderen standen bei der Entwicklung von Beginn an die mechanischen Elemente im Vordergrund, die man allerdings in einem historischen Kontext nutzen wollte, um sowohl die Gefechte als auch die Rollenspiel-Inhalte oder die Figurenzeichnung interessanter zu machen. Eine optionale Geschichtsstunde kann man dennoch bekommen: Wer sich abseits der Teamzusammenstellungen und der Rundenkämpfe näher mit dem Hauptthema beschäftigen möchte, wird viele Bezüge herstellen und historisch verbürgte Personen bzw. Ereignisse kennenlernen können.
Viel drin, viel dran
Zum abwechlungsreichen Mechanik-Mix von Warsaw gehören auch dem Adventure entliehende Textpassagen mit Entscheidungen und Konsequenzen.
In diesem Zusammenhang hatte Pixelated Milk lange überlegt, ob man es dem Spieler ermöglichen sollte, den Konflikt mit einem positiven Ende für sich entscheiden zu können – also die deutschen Besatzer aus der Stadt zu vertreiben. Doch man hat sich letztlich dagegen ausgesprochen. Um mit dieser fatalistischen Aussicht einer Niederlage nach maximal 63 Tagen dennoch Anreize zu bieten, sich längerfristig mit Warsaw zu beschäftigen, hat das Team zahlreiche Inhalte und Mechaniken eingebaut, die über die reinen Rundengefechte hinausgehen. Natürlich bilden diese einen der spielerischen Fokuspunkte, doch es gab auch überraschend viele anders gelagerte Elemente. In der Basis z.B., in der man jeden Tag beginnt, kann man nicht nur Aufträge annehmen oder seine Verwundeten verarzten bzw. erholen lassen, damit ihre im Kampf wichtige Ausdauer regeneriert. Man kann hier auch neue Widerstandskämpfer rekrutieren oder die Veteranen aufwerten bzw. sie mit besserer Ausrüstung versehen und sie so für die anstehenden Begegnungen optimieren. In Gesprächen lernt man ihre Hintergrundgeschichte bzw. Motivation kennen – diese emotionale Anbindung macht den Permatod bei fehlgeschlagenen Aufträgen umso schmerzhafter. Hat man seine Gruppe zusammengestellt, wobei man selbstverständlich darauf achten sollte, dass man eine potente Mischung der zur Verfügung stehenden „Klassen“ findet bzw. sich ergänzende Figuren mitnimmt, geht es in die umkämpften Straßen Warschaus.